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Reisen in Großbritannien·Reisegeschichte V

Rivieraatmosphäre und Nichtmillionäre

von Annerose Lohberg-Goelz

Viele Touristen kaufen auf Guernsey günstig ein, aber sie lernen die Insel nicht kennen. So seltsam es klingt: Man braucht dazu länger als man glaubt.

Guernsey from the air - geograph.ci - 371

Bob Embleton, Guernsey from the air - geograph.ci - 371CC BY-SA 2.0

Das Eiland ist klein - elf Kilometer lang und zehn breit -, aber man ist dort keineswegs gleich zuhause. Erst einmal wird man müde; jeden Tag ein bißchen mehr. Dabei war man so voller Tatendrang und Entdeckerlust, als man hierhergeflogen war. Sehr viel wußte man von diesen Inselchen nicht, von denen es eine ganze Reihe zwischen England und Frankreich gibt. Und wenn man sich von denen eine Vorstellung machte, dann dachte man eher an Wind, Regen und graue Stimmung.

Das Gegenteil ist der Fall. Es ist mild und lieblich dort. Eine freundliche Sonne scheint, die Strandpromenade hat viele Farben, kleine Jachten dümpeln im Hafen von St. Peter Port - Rivieraatmosphäre und Nichtmillionäre. Aber zwischen den geschäftigen Leuten in der kleinen Hauptstadt und den Hausfrauen mit ihren Einkaufstauschen, die mitten auf der Straße ein Schwätzchen machen, fallen die Touristen nicht auf. Nicht unangenehm jedenfalls.

Winkelgassen mit Kopfsteinpflaster führen in St. Peter Port hügelig überall hin. Ein wenig abseits liegen die hübschesten und interessantesten Antiquitätenläden. Es ist lohnend, sich umzuschauen und zu stöbern.

Der französische Dichter Victor Hugo, der zeitweise auf Guernsey lebte, wird hier noch heute sehr verehrt. Sein Haus in der steilen Hauteville-Straße gehört zwar der Stadt Paris, wird aber von Guernsianern voll Hingabe instandgehalten und den zahlreichen Besuchern vorgeführt. Die Räume sind fast so belassen, wie sie waren, als Victor Hugo das Haus 1870 verließ - angefüllt mit Kostbarkeiten aus allen Ländern der Welt, seinen Büchern und den täglichen Utensilien des Dichters. Sein Standbild steht in den "Candie Gardens", dem gepflegten schönen botanischen Garten über St. Peter Port. Dort sieht man ihn, wie er in seinem wehenden Umhang über die Insel zu marschieren pflegte.

Hier fand der Hexensabbat statt

Wer sich für Hexen interessiert, kann im Royal Court in den Akten nachlesen, was sie hier getrieben haben. Sie scheinen auf Guernsey recht verbreitet und mächtig gewesen zu sein. Die Westküste wird noch heute von vielen Einheimischen als Hexenland angesehen. Auf einem der vielen Dolmen, den vorgeschichtlichen Steingrabmälern, von denen es auf Guernsey zahllose gibt, fand regelmäßig der Hexensabbat statt.

Ein anderer, der 3000 Jahre alte Dehusdolman, enthält ein ausgezeichnet erhaltenes Ganggrab mit einer prähistorischen Felsmalerei.

Eine Steinfigur steht an der Pforte zum Kirchhof von St. Martin. Sie wird liebevoll "La Grandmère du Chimquière" genannt und ist ums Jahr 700 v.Chr. entstanden - zu der Zeit, in der man gerade anfing, Gestein zu behauen und bildhauerisch kreativ tätig zu werden. Und doch wirkt sie erstaunlich modern.

Auf Guernsey hat man nie das beklemmende Gefühl, dass hier Tourismus veranstaltet wird. Jeder Gast muss sich selbst in die Atmosphäre und die Mentalität dieses Inselstaates hineinfinden. Es ist alles da, was er braucht: Sonne, Meer, Hotels. Wie er diese Dinge benutzt, ist sein eigenes Problem. Mittags und abends finden sich Einheimische wie Touristen in den Lokalen am Hafen ein oder in den Pubs. Man hat die Auswahl unter englisch-klassischem oder italienischem, französischem und chinesischem Essen.

Guernseys Einheimische sind stolz auf ein mächtiges steinernes Ungetüm, das vor der Hafeneinfahrt im Wasser liegt: Castle Cornet, eine Wasserfestung, die in der Geschichte eine wichtige Rolle gespielt hat. Seit 1204 hat sie alle Heere des Abendlandes gesehen, zuletzt das deutsche im Jahr 1940. Jetzt hat man sie einem friedlichen Zweck zugeführt: das Bürgerwehrmuseum und das Schiffahrtsmuseum sind darin untergebracht. Nachts wird die Festung angestrahlt und bietet dann vom Ufer aus einen zauberhaften Anblick. Man vergißt so den recht trostlosen Eindruck, den der Hafen immer dann macht, wenn der Wechsel der Gezeiten das Meer um volle fünfzehn Meter abfallen lässt. Viele Boote und Jachten sitzen einfach im Morast. Hier gibt es den gewaltigsten Tidenhub Europas.

Auch an den Badestränden - sei es der etwas überlaufene von Moulet Huet, die nicht so einfach zu erreichenden Sandbuchten von Jaonnet und La Bette oder die winzige von Petit Bot - sollte man sich immer nach den Gezeiten richten, die einem jeder Einheimische sagen kann. Sonst sitzt man hin und wieder tatsächlich auf dem Trockenen.

Doch des Badens wegen geht man kaum nach Guernsey. Weit eher schon, um ausgiebig spazierenzugehen. Und zwar auf den Klippenwegen, die um die ganze Insel herumführen. Manchmal sind sie hoch über dem Meeresspiegel zwischen spitzen Felsen, dann wieder nahe am Wasser angelegt. Sie führen an Höhleneingängen vorbei oder man wandert stundenlang durch einen kühlen, grünen Wald. Selten begegnen Sie einem Menschen. Und wenn, dann will er ebenso allein sein wie Sie selbst. Es ist müßig, nach einer Beschilderung Ausschau zu halten. Sie ist nicht da. Wozu auch? Irgendwo wird man schon herauskommen - im Zweifelsfall am Wasser. Und dort ist immer eine Kneipe. Diese Wege gehören zum Schönsten, was die Insel zu bieten hat. Sie können viele Tage damit zubringen, immer neue zu erkunden. Denn jeder ist wieder ganz anders und die Landschaft auf Guernsey ist überaus verschieden.

Witches going to their Sabbath (1878), by Luis Ricardo Falero

Sonst aber ist im Inneren der Insel nicht viel los. Straßen und Sträßlein ziehen sich scheinbar ungeordnet übers Land. Überall stehen und liegen die berühmten Guernsey-Kühe mit ihren sanften großen Augen. Auch auf den vielen Golfplätzen. Sie muhen ab und zu unwillig, wenn ein Ball sie trifft, aber sie grasen ungestört weiter. Die Guernsey-Kuh ist zum Erschrecken mager, doch das muss so sein; sie gibt dennoch sehr viel mehr und fettere Milch als jede andere Rasse. Deshalb ist sie auf der ganzen Welt sehr begehrt. Doch wenn eine Guernsey-Kuh einmal ihre Heimat verlassen hat, darf sie nie mehr zurück.

Ich bin froh, dass ich keine Guernsey-Kuh bin, ich darf wieder hin.

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