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Reisen auf den Kanalinseln·Die Reisegeschichte I

Lords und Kühe mit schönen Augen

von Annerose Lohberg-Goelz

Lord Sausmarez saß auf einem alten Küchenstuhl vor seinem Familiensitz als wir ankamen. Er las Zeitung und tat, als bemerke er uns nicht.

Guernsey old map

Es war warm geworden, doch der Wind, der die kleine Insel ständig streichelt, war kühl. Cecil de Sausmarez ist "Lord of the Manor", ein Gutsherr also, der noch heute mit Sonderrechten aus der Zeit des alten Feudalsystems ausgestattet ist.

Wir wollten nur eine kurze Stipvisite machen und einen Blick auf den Herrensitz dieser alten und berühmten Familie werfen, deren Geschichte über 600 Jahre zurückgeht. Doch wir blieben Stunden und wurden nicht müde, Lord Cecil zuzuhören, wie er über seine Vorfahren sprach und sein altes Tudorgebäude ins rechte Licht rückte.

Obwohl er vergleichweise wohlhabend ist, muss auch der Lord of the Manor auf Guernsey - wie viele Lords und Herzöge in England und anderswo - sein Haus der Öffentlichkeit gegen Eintrittsgeld zugänglich machen, um es erhalten zu können. Und zwar mit so viel Charme und Witz, dass Historie lebendig wird.

Die Kanalinseln gehörten zu Frankreich

Will man Guernsey und die Kanalinseln richtig verstehen, so muss man weit in die Geschichte zurückgehen - ins Jahr 1066 nämlich, als der Herzog der Normandie mit seinem Heer nach England übersetzte und dessen König wurde. Die Kanalinseln gehörten zu Frankreich; man sprach also französisch. Als 138 Jahre später der englische König Johann die Normandie wieder verlor, bestanden die Kanalinseln darauf, weiterhin zur englischen Krone zu gehören. Frankreich und England stritten sich noch jahrhundertelang um strategisch wichtige Inseln. Die entwickelten in der Zeit nach und nach ihre eigenen parlamentarischen Einrichtungen sowie ein eigenes Rechtssystem. So kam es, dass heute sowohl Jersey als auch Guernsey unabhängige, eigenständige Inseln sind. Jede hat ihr eigenes Geld und ihre eigenen Briefmarken.

Man vergisst auf Guernsey aber keinen Augenblick, dass die Insel einst zur Normandie gehörte. Die meisten Straßenschilder tragen englische und französissche Aufschriften, viele Bewohner sprechen beide Sprachen gleich gut und der Name von Lord Cecil de Sausmarez klingt auch nicht gerade englisch. Doch die britische Regierung ist für alle auswärtigen Angelegenheiten der Insel zuständig. Ein Vizegouverneur vertritt auf Guernsey die Königin, aber er hat in der Zivil- oder Rechtsverwaltung der Insel nichts zu sagen. Der wichtigste Mann ist der Bailiff - das Staatsoberhaupt des 62 000 Quadratkilometer kleinen Landes. Ihm zur Seite steht das Inselparlament, das sich "States of Deliberation" nennt. Die 57 Mitglieder werden nach einem außerordentlich komplizierten Verfahren gewählt, auf Guernsey ausschließlich nach ihrer Persönlichkeit und ihrem Ansehen. Es gibt keine Parteipolitik.

Interessant ist es, eine Sitzung des Parlaments zu verfolgen. Man debattiert in englischer Sprache, aber die Abstimmung und das ganze Zeremoniell gehen auf Französisch vor sich.

Die Zeitungen der Welt berichten im allgemeinen auf der ersten Seite über Politik. Doch auf Guernsey besagt die wichtigste Meldung auf der ersten Seite der einzigen Zeitung, ob und wie weit der Tomatenpreis gefallen oder gestiegen ist. Tomaten sind die wichtigste Wirtschaftsgrundlage der Insel. Gewächshäuser stehen überall. Einst zog man hier Weinreben, an denen Dessert-Trauben fürs englische Festland reiften. Heute wachsen hier die "Guernsey Tom", die vor hundert Jahren als "Liebesapfel" eingeführt wurden, und viele Blumen.

Man hat auf den Kanalinseln schon mit vielem Geld verdient - sehr erfolgreich auch mit Freibeuterei. Es würde zu weit gehen, zu behaupten, dass heute die Touristen ausgebeutet werden. Doch ein Teil der Inselbewohner lebt recht gut davon, dass täglich viele Schiffe aus St. Malo in Frankreich herüberkommen. Deren Bäuchen entströmen - vor allem in den Sommermonaten - unzählige Einkaufsbesessene, die die preiswerten Parfüm- und Tabakläden der Hauptstadt St. Peter Port stürmen und mit vielen Plastiktüten am Abend wieder zurückfahren.

St. Peter Port

Diese Touristen kaufen auf Guernsey günstig ein, aber sie lernen die Insel nicht kennen. So seltsam es klingt: Man braucht dazu länger als man glaubt. Das Eiland ist klein - elf Kilometer lang und zehn breit -, aber man ist dort keineswegs gleich zuhause. Erst einmal wird man müde; jeden Tag ein bisschen mehr. Dabei war man so voller Tatendrang und Entdeckerlust, als man hierhergeflogen war. Sehr viel wusste man von diesen Inselchen nicht, von denen es eine ganze Reihe zwischen England und Frankreich gibt. Und wenn man sich von denen eine Vorstellung machte, dann dachte man eher an Wind, Regen und graue Stimmung.

Das Gegenteil ist der Fall. Es ist mild und lieblich dort. Eine freundliche Sonne scheint, die Strandpromenade hat viele Farben, kleine Jachten dümpeln im Hafen von St. Peter Port - Rivieraatmosphäre und Nichtmillionäre. Aber zwischen den geschäftigen Leuten in der kleinen Hauptstadt und den Hausfrauen mit ihren Einkaufstauschen, die mitten auf der Straße ein Schwätzchen machen, fallen die Touristen nicht auf. Nicht unangenehm jedenfalls.

Winkelgassen mit Kopfsteinpflaster führen in St. Peter Port hügelig überall hin. Ein wenig abseits liegen die hübschesten und interessantesten Antiquitätenläden. Es ist lohnend, sich umzuschauen und zu stöbern.

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